Waldbaden und Naturtherapie sind innovative Ansätze mit gesundheitsförderndem Potenzial
- Jennifer Schausten
- 25. Juli 2024
- 4 Min. Lesezeit

Die Naturtherapie und das Waldbaden erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. In Japan, wo Waldbaden seinen Ursprung hat, wird das Ganze Shinrin Yoku (Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes) genannt und ist bereits ein fester Bestandteil des dortigen Gesundheitssystems. Gemäß Studien, hat ein Aufenthalt im Wald positive Auswirkungen auf die Atmung, die Herzaktivität sowie das Nervensystem. Das Waldklima selbst, besonders die von den Pflanzen und Bäumen freigesetzten Terpene können Stresssymptome verbessern und haben zudem einen positiven Effekt auf Depressionen, Schlafstörungen sowie Aufmerksamkeitsprobleme. Achtsamkeitsübungen, welche ihre Basis in den verschiedenen Sinneswahrnehmungen haben, werden zur Rehabilitation, aber auch zur Prävention eingesetzt. In Deutschland gibt es sogar bereits Wälder, die eigens zur Gesundheitsförderung konzipiert wurden.
Studien zur Wirksamkeit des Waldbadens in Japan
Da eindeutige wissenschaftliche sowie medizinische Studien zum Waldbaden und dessen gesundheitsfördernden Effekt bis 2004 fehlten, begann das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forst und Fischerei im selbigen Jahr damit, die therapeutische Wirkung des Waldes und der Natur auf den Organismus zu erforschen. Professor Dr. Qing Li und das Team der Nippon Medical School Tokio fanden heraus, dass der Wert des Cortisolspiegels (Stresshormon im menschlichen Körper) sinkt, wenn man sich im Wald aufhält. Die Atmung wird ruhiger und tiefer und die Herzfrequenz verringert sich. Zudem hat ein Aufenthalt im Wald einen muskelentspannenden Effekt. (Li et al 2011). Diese stressreduzierenden Effekte sind dabei auf alle Sinneswahrnehmungen zurückzuführen. Insbesondere die sogenannten Terpene, Botenstoffe der Pflanzen, die besonders von Bäumen in großen Mengen an die Luft abgegeben werden, werden von uns Menschen über die Atmung aufgenommen. Ihnen wird eine sehr positive Wirkung auf den menschlichen Organismus zugeschrieben (Li et al 2009).
Studien im Schwarzwald

Beim Waldbaden geht es also darum, den Wald mit all seinen Sinnen wahrzunehmen, ohne einer sportlichen Aktivität dabei zu folgen. Eine weitere Studie (Karim et al 2020) im Schwarzwald zeigte, wie der Wald einen positiven Effekt auf das Nervensystem und den Cortisolspiegel hat. Dazu hat man einen neutralen und mit Tannenzweigen bedufteten Innenraum mit Nadel- sowie Mischwäldern verglichen. Bei den jeweiligen Probanden wurde die Herzaktivität mittels EKG, die Muskelaktivität mittels EMG und die elektrische Leitfähigkeit der Haut mittels EDA gemessen. Dabei kamen auch verschiedenen Achtsamkeitsübungen im Wald zum Einsatz. Dies führte zu einem Absinken des Cortisolsspiegels und einer Verbesserung der Aktivität des Parasympathikus. Ebenso wird hier (Karim et al 2020) darüber berichtet, dass ein Aufenthalt im Wald nachweislich einen Anstieg der Alphawellen im Gehirn zur Folge hat. Diese werden vom Gehirn im entspannten Wachzustand produziert. Ebenso konnte ein positiver und restrukurierender Effekt auf den Frontallappen in der Großhirnrinde nachgewiesen werden. Dieser Teil ist bei Trauer sowie depressiven Gedanken verändert und von großer Bedeutung.
Klimatherapeutischer Einfluss des Waldes auf die Gesundheit
Nach Schuh und Immich (2019) wirkt sich das Klima des Waldes positiv auf den Menschen aus. Die relativ hohe Luftfeuchtigkeit und die ausgeglichen Temperaturen schonen das Herzkreislauf- und Thermoregulationssystem. Auch führt ein Waldspaziergang in kühler Waldluft zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Luftschadstoffe und Feinstoffparktikel, welche Atemwegserkrankungen und chronische Erkältungskrankheiten auslösen können, werden im Wald reduziert.

In einer weiteren Studie (Park et al 2010) wurde nachgewiesen, dass die relativ geringe Belichtungsstärke und das Dämmerlicht im Waldesinneren eine Ausschüttung des Hormons Melatonin begünstigt. Des weiteren wurde bewiesen, dass dadurch Gefühle wie z.B Ärger reduziert wurden und gleichzeitig Müdigkeit gemindert wurde. Wälder in Höhenlagen und damit einhergehendem niedrigem atmosphärischem Druck konnten Depressionen verbessern und deutlich abmildern.
Zudem haben Achtsamkeitsübungen in Verbindung mit Waldbaden einen positiven Effekt auf psychosomatische Erkrankungen, innere Anspannung, Erschöpfungszustände und tragen zu einer allgemeinen Verbesserung des Wohlbefindens bei. Sie verbessern nachweislich die Schlafqualität, fördern die Aufmerksamkeit und Konzentration und wirken stressreduzierend (Schuh und Immich 2019).
Weitere Studien zur positiven Wirkung des Waldes auf den menschlichen Organismus

In weiteren Studien konnte belegt werden, dass Aufenthalte im Wald sich ebenso positiv auf Menschen mit Autismus, Essstörungen, chronischen Schmerzen und ADHS auswirken. Des weiteren haben Waldspaziergänge ebenso einen positiven Effekt auf Menschen mit Diabetes mellitus (Ohtsuka et al 1998). Als effektiv zeigte sich außerdem eine signifikant positive Korrelation zwischen Achtsamkeit, Aufenthalten in der Natur und mentalem Wohlbefinden (Timko Olsen et al 2020).
Gesundheit durch Achtsamkeit und Aufmerksamkeit
Die Attention Restoration Theory von Kaplan im Jahr 1995 liefert eine gute Begründung für die Wirksamkeit des Waldes auf den menschlichen Organismus. Sie geht von zwei verschiedenen Formen der Aufmerksamkeit aus:
· Die fokussierte, zielgerichtete Aufmerksamkeit
Diese setzen wir beispielsweise beim Arbeiten ein. Sie benötigt Energie und folglich gewinnen wir dadurch auch nichts.
· Die ungerichtete Aufmerksamkeit
Diese erleben wir immer dann, wenn wir geistig erschöpft sind und uns in der Erholungsphase befinden. Das ist bei einem Waldbesuch zum Beispiel der Fall.
Die Wiederherstellung der Aufmerksamkeit basiert laut Kaplan auf 4 Kriterien:
• Faszination für etwas kann erholsame Aufmerksamkeit hervorrufen.
• Ein Weg-Sein (Abstand) oder Abschalten vom Alltag ist wesentlich für die Erholung. Gemeint ist hier aber eher ein mentales als nur ein physisches Weg-Sein.
• Ausdehnung kann ein Gefühl der Erholung vermitteln. Es entsteht eine geistige Verbindung mit wahrgenommenen Elementen in der Umgebung.
• Kompatibilität bezieht sich auf die Übereinstimmung der persönlichen Ziele und Neigungen mit den Umgebungsbedingungen.
Fazit

Die traditionelle Verbundenheit mit dem Wald selbst, sowie die vielfältige Flora und Fauna, faszinierende Landschaftselemente und tollen Ausblicke erlauben es uns, erschöpfte Ressourcen wieder aufzufüllen. Die Begründung hierfür liegt hauptsächlich im historisch belegten, engen Kontakt des Menschen mit der Natur. Waldbaden ist ein Teil der Waldtherapie und kann in Kombination mit Achtsamkeitsübungen, aber auch anderen Methoden wie Slow Walking, Barfußlaufen, leichtem Yoga oder gar der Gesprächstherapie zum Steigern des Wohlbefindens genutzt werden. Aber ebenso präventiv und rehabilitativ bei Erkrankungen physischer- sowie psychischer Art angewandt werden.
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